Die sympathisch naive Stenotypistin (Aylin Jakaj) hat nichts zu verbergen, fast alle anderen Anwesenden allerdings schon. In der voll besetzten Chapel im Stauferpark präsentierte die Theater-AG 2 des Hohenstaufen-Gymnasiums ihr neues Stück, den Edgar-Wallace-Klassiker „Das indische Tuch“. Wie schon bei Shakespeares „Sommernachtstraum“ letztes Jahr wuchsen die jungen Talente aus den Klassenstufen 7 bis 10 über sich hinaus und boten bei diesem Kammerspiel-Krimi in perfekten Kostümen und toller Kulisse Spannung, Unterhaltung, Spielfreude und Professionalität auf höchstem Niveau.
Die empfindsame Hausangestellte Ruby (Juliana Nestele) kann „den Tod schon riechen“, während sie mit ihrer Kollegin Poppy (Ylvi Schuler) im Salon des Schlosses Schmutz unter den Teppich kehrt. Der 28. Lord Lebanon ist eben verstorben und prostet nur noch vom Gemälde an der Backsteinwand hinter dem lodernden Kaminfeuer lächelnd seiner Verwandtschaft zu, die sich zur Testamentseröffnung an der langen Tafel versammelt und – oh Schreck – erfährt, dass sie es erst einmal sechs Tage miteinander aushalten muss, bevor verkündet wird, wer was erbt. Der Regen prasselt, es donnert und blitzt. Draußen versuchen sich zwei Mitarbeiter der Scottish Telecom (Lara Hönle und Annabella Henning) an der Reparatur der defekten Telefonleitung und brillieren nebenher mit ihren Kompetenzunterschieden und Fachsprache, ebenso wie das Wachpersonal (Firdevs Karakus und Lakischa Schorler), das über zuviel Bürokratie schimpft und sich „Prozessoptimierung“ wünscht.
Der junge Lord (Nico Wieland) will eigentlich nur Klavier spielen, interessiert sich dann aber doch lieber für die schüchterne Isla (Lanah Clausen). Die anfangs sehr souverän und integer wirkende Hausärztin der Familie (Sophie Preiß) wird von der nur äußerlich makellosen, in schwarzem Fransenglitzerkleid umherwandelnden Witwe (Amelie Nestele) erpresst. Beeindruckend bierbäuchig und rüpelhaft überbrückt der „echt köllsche Jung“ Mr. Tilling (Annabella Henning) das Warten mit lautstarken Beleidigungen der übrigen Anwesenden und vor allem seiner Frau (Leni Kranzkowski), die im Gegensatz zu ihm tatsächlich zur Verwandtschaft gehört und Aussicht aufs Erbe hat, wie auch die gern ihre Rollen übende Schauspielerin Mrs. Hockbridge (Laura Pagliaro). Der uneheliche Sohn des Erblassers (Kilian Riplinger) muss schauen, dass er in dem feindseligen Durcheinander die Ruhe behält und seine Insulinspritzen nicht vergisst. Da schlägt ein unbekannter Killer plötzlich zu; Reverend Hastings (Bogdana Olexenko) genehmigt sich „zu Tode erschreckt“ einen Drink, bevor er nach unheilvollen Klängen selbst dem Tuchmörder zum Opfer fällt.
Schnell mehren sich die Todesfälle. Der beeindruckend die Contenance bewahrende Butler Boldwin (Sarina Tadler) und das gutherzige, aber nicht übermäßig intelligente Hausmädchen Haruka (Viktoria Wiebe) hieven die Opfer, in Jute gehüllt, über der Schulter oder auf Sackkarren von der Bühne; Gärtnerin Felicity (Lisa Koch) kommt mit dem Gräberausheben nicht mehr hinterher und hat sich wegen der extremen Arbeitsbedingungen schon an die Gewerkschaft gewandt. Rechtsanwalt Tanner (Valerie Schmid), eigentlich nur als Testamentseröffner anwesend und auf „penible Dokumentation und Protokollierung“ bedacht, wird notgedrungen zum Ermittler und bemüht sich mit seiner vorlauten Stenotypistin Molly redlich, Licht ins Dunkel zu bringen.
Gänsehautmomente gab es reichlich, von professionellen Licht- und Ton-Effekten über spitze Schreie bis zu plötzlich hinter dem Fenster baumelnden Beinen; auch der nach dem dritten (oder vierten?) Mord lange gelassen auf der dunklen Bühne stehende und das Publikum fixierende vermummte Tuchmörder ließ manch einem das Blut in den Adern gefrieren.
„Es sind Momente wie diese, die lange nach der Schulzeit noch nachwirken“ betonte Schulleiter John Ahlskog und bedankte sich für die mehr als ein Schuljahr dauernde Arbeit des Ensembles und der AG-Leiterin Karin Haeßler. Dank von allen Beteiligten ging auch an den Kunstlehrer Stefan Grünewald, der beim Entwurf und Bau des Bühnenbilds tatkräftig mitgeholfen hat sowie an Axel Mick, der für Licht und Ton verantwortlich war.